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Mein Baby weint beim Abhalten


 Warum Babys beim Abhalten weinen können

Viele Eltern sind beim Start mit dem Abhalten voller Motivation – und dann kommt plötzlich der Moment, in dem das Baby weint, sobald man es über das Töpfchen hält. Das kann verunsichern. Doch Weinen bedeutet nicht automatisch Ablehnung. Im Gegenteil: Es ist meist ein Teil des Lern- und Entwicklungsprozesses.

Weinen ist Kommunikation

Ein neugeborenes Baby kann noch nicht sprechen, lächeln oder zeigen, was genau es braucht. Sein einziges Werkzeug, um mit uns zu kommunizieren, ist das Weinen. Wenn dein Baby also weint, sagt es nicht „Ich will das nicht“, sondern eher: „Etwas fühlt sich gerade anders an“ oder „Ich brauche Unterstützung“.

Manchmal ist das Weinen ein kurzer Ausdruck von Überforderung, manchmal eine Bitte um Nähe – und manchmal schlicht eine Reaktion auf das ungewohnte Gefühl, das Abhalten mit sich bringt.


Weinen hilft beim Entspannen

Weinen kann auch eine Form des Stressabbaus sein. Studien zeigen, dass sich beim Weinen der Kortisolspiegel – also das Stresshormon – senkt. Manche Babys müssen sich kurz „ausweinen“, bevor sie sich wirklich entspannen können. Und genau diese Entspannung ist Voraussetzung, damit sich Blase oder Darm entleeren können. In der Windelfrei-Praxis spricht man in diesem Zusammenhang vom sogenannten „Entspannungsschrei“.


Das neue Körpergefühl

Für dein Baby ist das Gefühl der Ausscheidung außerhalb des Mutterleibs völlig neu. Im Bauch war alles warm, gleichmäßig und sicher. Jetzt spürt es plötzlich Druck im Bauch, Luft auf der Haut, vielleicht auch Kälte – und weiß noch nicht, was genau da passiert.

Manche Babys müssen durch das Schreien erst den nötigen Druck im Bauch aufbauen, um sich zu entleeren. Dieses angestrengte Drücken mit Lautäußerung hat sogar einen Namen: Infant Dyschezia.

Was ist Infant Dyschezia?

Infant Dyschezia ist eine vorübergehende, völlig harmlose Koordinationsschwierigkeit bei Babys unter sechs Monaten. Sie zeigt sich dadurch, dass das Baby vor dem Stuhlgang zehn Minuten oder länger drückt oder weint – obwohl der Stuhl weich und normal ist.

Das passiert, weil die Verbindung zwischen Bauchmuskeln und Beckenboden noch nicht richtig funktioniert. Das Baby muss gleichzeitig Druck aufbauen und den After entspannen – eine motorische Herausforderung, die erst gelernt werden muss. Es übt also, wie „Drücken und Loslassen“ gleichzeitig geht.

Typisch ist, dass das Baby sichtbar presst, rot wird, die Beine anzieht und dabei weint – und sobald der Stuhl da ist, ist alles wieder gut. Das ist kein Grund zur Sorge, sondern schlicht Teil der körperlichen Entwicklung.

Das Baby lernt gerade etwas sehr Wichtiges über seinen Körper. Halte es einfach, bleibe ruhig und sprich leise mit ihm. Meist verschwindet dieses Verhalten ganz von selbst zwischen der sechsten und zwölften Lebenswoche.

Diese Phase erklärt auch, warum manche Babys beim Abhalten kurz schreien: Sie müssen den nötigen Bauchdruck aufbauen, bevor sie loslassen können. Das ist kein „Nein“, sondern ein Zeichen, dass der Körper arbeitet und lernt.

Wenn Reize einfach zu viel werden

Manchmal ist das Weinen auch ein Zeichen von Reizüberflutung. Stell dir vor, du wirst plötzlich ausgezogen, hochgehoben, anders positioniert, siehst eine neue Perspektive, spürst kalte Luft auf der Haut – das ist eine Menge an Eindrücken für ein kleines Baby.

Wenn es dann weint, heißt das nicht, dass es das Abhalten ablehnt, sondern dass es schlicht zu viel war. Dann hilft es, langsamer zu werden: erst einmal mit dem Baby zu sprechen, es sanft auszuziehen, kurz warten, Blickkontakt halten, vielleicht summen – und dann erst das Abhalten anbieten.


Wie Eltern unterstützen können

Das Wichtigste ist: Ruhe.

Wenn du entspannt bleibst, überträgt sich das auf dein Baby. Sprich leise, halte Blickkontakt, geh Schritt für Schritt vor. Manchmal hilft es, wenn dein Baby eine Weile nackt liegen darf, bevor du es abhälst – so kann es selbst wahrnehmen, was in seinem Körper passiert, ohne gleich bewegt zu werden.

Routinen sind ebenfalls hilfreich. Wenn ihr das Abhalten regelmäßig und liebevoll wiederholt, entsteht Vertrautheit. Das Baby weiß dann mit der Zeit, was passiert, und kann sich leichter entspannen. Und wenn es einmal nicht klappt, ist das völlig in Ordnung. Einfach trösten, kurz Pause machen und es später erneut versuchen.


Wenn Kinder das Abhalten ablehnen

Auch ältere Babys oder Kleinkinder zeigen manchmal Phasen, in denen sie sich gegen das Abhalten oder das Töpfchen sträuben. Das bedeutet nicht, dass sie es „nicht mögen“, sondern dass die Situation gerade nicht passt. Vielleicht befindet sich dein Kind mitten in einem Entwicklungsschub, möchte lieber weiterspielen, ist müde oder hungrig.

Es kann auch sein, dass das Töpfchen unbequem ist, zu kalt, zu offen steht oder unangenehm riecht. Oder dass dein Kind deinen inneren Druck spürt – dieses „Jetzt müsstest du doch eigentlich!“ Kinder nehmen das sofort wahr und reagieren mit Anspannung statt Entspannung.

Besonders gut klappt das Abhalten meist morgens nach dem Aufwachen, wenn die Blase voll ist und das Kind ausgeruht ist. Auch nach dem Mittagsschlaf oder nach Mahlzeiten sind günstige Zeitpunkte.

Wenn es gar nicht funktioniert, hilft die sogenannte „Helikopterperspektive“: Geh innerlich einen Schritt zurück und frag dich:

Was könnte mein Kind gerade stören? Ist es müde? Kalt? Braucht es Nähe? Vielleicht reicht schon eine kleine Veränderung – ein anderer Ort, ein paar Minuten später, eine andere Haltung – und schon funktioniert es wieder.


 Fazit

Weinen beim Abhalten ist kein Zeichen des Scheiterns, sondern ein Zeichen des Lernens. Dein Baby entdeckt gerade seinen Körper, übt, Spannung loszulassen, und lernt, wie Ausscheidung funktioniert.

Mit Geduld, Nähe und einer liebevollen Haltung findet ihr beide in euren eigenen Rhythmus. Kein Kind lehnt das Abhalten grundsätzlich ab – es möchte nur, dass die Situation für es stimmig ist: warm, sicher, vertraut und ruhig.

Denn von Natur aus möchte jedes Kind außerhalb der Windel ausscheiden. Es braucht dazu nur eines: dich – als liebevolle, feinfühlige Begleitung auf diesem Weg.

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